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Arbeitsumgebung

Hyper Hyper Hypertext

Lernen und Lehren.

Diese beiden Begriffe sind für mich eng mit dem Begriff von Wissen und Information verknüpft. Medien als Instrumentarien der Genese und Kommunikation von Wissen lassen sich bereits prototypisch in der Aufklärungsbewegung des 18. Jahrhunderts erkennen. Das ist ja auch kein Wunder, denn wie anders sollte der Mensch Erfahrung und Erkenntnis transportieren?

Wissen –> Schreiben –> Lesen –> Wissen.

So gut, so einfach. Diese Systematik hat uns auch in Zeiten digitaler Medien nicht verlassen.
Wenn wir von Lehren und Lernen mit sozialen Medien im Kontext des Konnektivismus als Weiterentwicklung des Konstruktivismus sprechen, dann meinen wir auch eben diesen Informationsaustausch.
Die Möglichkeit im Internet dialektisch (soll heißen: im wechselseitigen Dialog und mit sich dem zwischenmenschlichem Gespräch annähernder Latenz) und natürlich weitaus schneller zu kommunizieren, mag eine immense qualitative Veränderung bedeuten, doch ändert sie wohl nicht das Prinzip per se. Im Gegenteil: Sie wirkt doch viel eher nur „angemessen“ in Bezug auf unser beschleunigtes Digitalzeitalter.

Was haben wir also?
Digitale Informationsverbreitung = dialektisch, effizient, schnell.

AAAABER leider…

… gehen mir bei dem Gedanken an mediales Lehren und Lernen die Einwände Bernard Stieglers einfach nicht aus dem Kopf.
Der kleinkriminelle Jazzbarbesitzer aus Frankreich nutze die lange Zeit im Gefängnis nach einem Banküberfall für reichliche Medienreflexion, was ihn wohl schließlich zu einem der bedeutendsten Medien- und TV-Kritiker des 20. Jahrhunderts machte.
Er kritisierte die Informationswahrnehmung am Bildschirm. Ginge es um einen Text, könnte man wohl vom Hypertext sprechen. Aber erst einmal von vorn… Kurzfassung: Der Mensch verbindet seine grauen Zellen, wenn er etwas wahrnimmt/sieht/ liest/lernt. Wenn er dies in der realen Welt tut, so tut er (oder eher sein Gehirn) dies aber anders als im immersiven Simulationsraum (oder einfach: wenn er es auf einem Bildschirm sieht).

Wissen –> Schreiben –> Lesen –> Verstehen –> Wissen

Soll heißen: Wenn ich Kleist auf einem Bildschirm lese, dann laufen da andere Prozesse in meinem Hirn ab, als wenn ich Kleist im leuchtend gelben Reclamgewand auf meinem Nachtisch liegen habe. Nur wann verstehe ich seine endlosen Hypotaxen besser?
Was bedeuten Stieglers Thesen für die Zukunft?
Werden wir in 100 Jahren Goethe nurnoch lesen können, wenn seine Worte auf dem Kindle oder Fernsehbildschirm aufflammen?
Stirbt analoge Skripturalität aus?

Von repressiver Entsublimierung soll hier gar nicht angefangen werden. (Allen Interessierten ist der Welt.de Artikel am Fuße des Beitrags nahegelegt.)

Das ist hier ist Alles reichlich überspitzt und polemisch formuliert und sicherlich auch nicht so pessimistisch gemeint, wie es anmuten mag.
Doch ertappe ich mich immer wieder dabei zu überlegen, wie sich in meiner Rezeption eine Onlinesitzung oder ein Onlinetext von einer Vorlesung oder einem Buchartikel unterscheidet! Die Neurobiologen haben in den letzten Jahrzehnten reichlich zur Panikmache beigetragen, indem sie den unglaublich unsympathischen Begriff der „synaptogenetischen Aufmerksamkeitszerstörung“ ins Feld brachten.

Abschließend kann nur meine eigenen Gedanken kundtun:
Vielleicht müssen wir einfach nur lernen auch digitale Inhalte angemessen zu rezipieren.
Die digitale Informationsverbreitung könnte die Atombombe der Wissensvermittlung und Informationsaufnahme darstellen.
Doch ohne die Ausbildung zu aufgeklärten Medienrezipienten, wie Hans Magnus Enzensberger es sich schon gewünscht hat, werden wir wohl nicht um den Super GAU herum kommen.

Stiegler bei Welt.de: http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article106161844/Bernard-Stiegler.html